Zusatzkapitel: Verbindung mit den Lebensqualitäten

Verbindung mit den Lebensqualitäten

Hier also 7 x 7 Positionen, die ich der Energie wegen mit den zwölf Lebensqualitäten verbinde. Die Lebensqualitäten sind vielen spirituell orientierten Menschen aus den Raunächten bekannt. In den zwölf Tagen zwischen dem Weihnachtstag des 25. Dezember und dem Tag der Erscheinung des Herrn am 6. Januar werden sie je nach Brauchtum rituell oder auch nur individuell geistig begangen, wobei der zwölf Lebensthemen gedacht wird, wie sie traditionell den Monaten im Jahresverlauf zugeordnet sind. Die Gesamtheit der zwölf Themen steht für die Vollständigkeit des Lebens. Auch die zwölf Qualitäten bilden wieder die Erzählung einer Heldenreise ab, ganz ähnlich wie der aristotelische Spannungsbogen, nur differenzierter als die Grobstruktur der fünf Akte diese Reise sie abbildet. Die Reise über die Stationen der zwölf Lebensqualitäten bezieht die spirituellen Dimensionen mit ein.

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1. Stille + 2. Frieden

So startet das Jahr in seinen ersten beiden Monaten Januar und Februar mit den Qualitäten Stille und Frieden. Stille herrscht der menschlichen Vorstellung nach vor allem Anfang und vor allem (inkarniert) Sein, und im Frieden befindet man sich im Mutterleib, weshalb vielleicht die Sehnsucht nach Frieden ein Leben lang erhalten bleibt und die Stille von spirituell höher entwickelten Menschen, vor allem Hochsensiblen, als wohltuend empfunden und als Notwendigkeit angesehen wird, um zu sich selbst zu finden. Im Dreieck ist es also die Position des “Vorher”.

3. Aufbruch

Mit der Geburt erfolgt der Aufbruch ins Leben. Diese Qualität ist dem Monat März zugeordnet. Mit dem Aufbruch beginnt die Selbstwerdung des Menschen und beginnen die Beziehungen, die der Mensch dazu braucht, um sich selbst zu erfahren, damit er über diese Erfahrungen zu sich selbst zurückkehren kann. Deshalb beginnen hier die Beziehungs- und Entwicklungsdreiecke, Orientierung anzubieten (Kapitel 1). Im aristotelischen Spannungsbogen handelt es sich um den ersten Akt der Erzählung.

4. Neugier

Die Lebensqualität der Neugier, dem April zugeordnet, entspricht im aristotelischen Spannungsbogen dem zweiten Akt. Dramaturgisch ist es das Scheitern eines Lösungsversuchs. Im Entwicklungsdreieck handelt es sich um den Wechsel in den Aktivpol, was das Denken und Handeln des*der Held*in angeht (2. Kapitel). Allerdings gibt es in einem Menschenleben und -werden nicht nur den einen großen Wechsel im Alter von sieben Jahren, sondern schon innerhalb der ersten sieben Jahre wird der große Wechsel viele Male vorweggenommen. Immer dann, wenn das Kind sich für etwas Neues interessiert oder neue Verhaltensweisen ausprobiert, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, findet ein Polwechsel statt, dreht sich die Energie vom Passiven ins Aktive und geht anschließend wieder ins Passive zurück. Die Entwicklungspsychologie spricht an diesen Stellen von der Phase des Fremdelns, der Trotzphase, der Autonomiephase, der „Wackelzahnpubertät“ etc.. Es sind kleinere Pendelbewegungen in Richtung Aktivpol, bevor der Entwicklungsschritt vollständig gegangen wird, in eine neue Lebensphase einzutreten, die in etwa mit der Einschulung zusammenfällt.

5. Strategie

Problematisch für die menschliche Entwicklung wird es, wenn an der Stelle des Wechsels in den Aktivpol die Entwicklung gehemmt wird und die beiden dualistischen Pole für die einzigen Alternativen, sich zu verhalten, angesehen werden: „Im Leben hast du nur die Wahl, zu fressen oder gefressen zu werden“. Reduktionistische Denkmodelle versuchen, die so entstandenen antagonistischen Beziehungen zu erklären, und therapeutische Ansätze streben danach, ein Gleichgewicht zwischen den extremen Denk- und Verhaltensweisen herzustellen. Dieses Gleichgewicht ist der Erfahrung nach fragil und stets abhängig von anderen Menschen und deren Verhalten. Wie es Jean-Paul Sartre treffend ausdrückte: „Die Hölle, das sind die Anderen.“ Ein solches Menschen- und Selbstbild lässt die weiteren Qualitäten des Menschen und damit den vollen Wert des Lebens außer Acht. In einem solchen Stehenbleiben fehlt die im aristotelischen Spannungsbogen enthaltene überraschende Wende des dritten Akts, das Auftreten eines Mentors oder der Erhalt einer Vision.

Geht der Mensch aber in seiner Entwicklung, wodurch auch immer inspiriert, über den Dualismus hinaus, entwickelt er mit der dem Monat Mai zugeordneten Lebensqualität der Strategie zunächst eine persönliche und selbstbestimmte Haltung, eine Ethik, ein inneres Wertesystem. Im Dreiecksmodell wird diesem Wertesystem die Yin-Kraft zugeordnet, die weibliche Energie in jedem Menschen (3. Kapitel). Und zwar könnte der Mensch in der Zeitspanne zwischen 14 und 21 Jahren durch die Beobachtung von Vorbildern für sich selbst bestimmen, welche Werte für sein Leben gelten sollen, von welchen Werten er sich seiner*ihrer persönlichen Erfahrung nach getragen und gehalten fühlt. Falls diese Vorbilder und diese Erfahrung zur Ausbildung einer Lebensstrategie in dieser Zeit fehlen, dient die ihm*ihr zugängliche Kultur als Quelle der Unterrichtung und der Reflexion über die Frage: Nach welchen Maßstäben will ich leben und meine Beziehungen gestalten? Wer keine Vorbilder hat und sich nicht kulturaffin fühlt, wirkt im Leben häufig so verloren, wie jemand, der ein Knopfloch verpasst hat: Er*sie kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande. Ein solcher Mensch bleibt im Dualismus gefangen und agiert lediglich seine konditionierten Lösungsstrategien zur Erfüllung seiner Grundbedürfnisse aus. Das gilt leider für so viele Menschen, die versuchen, über Eifersucht, Habgier, Neid, Missgunst, Konkurrenzkampf, Abwertung, Diskriminierung, Rechthaberei und so weiter ein Leben der Fülle aufzubauen – was nicht gelingen kann. Ein Leben der Fülle lässt sich nur über die Verwirklichung einer ethischen Strategie aufbauen.

6. Aktivität

Wurde die Lebensqualität der Strategie aber entwickelt – was auch später durchaus noch in Eigenregie über das Nachholen einer humanistischen Bildung (einer Herzensbildung) geschehen kann – erhalten die Einstellungswerte nur dann Sinn, wenn sie auch umgesetzt werden. Das entspricht im aristotelischen Dreieck dem 4. Akt, der Konsequenz aus der überraschenden Wende, in der ein*e Mentor*in aufgetreten war oder die innere Gestimmtheit empfangen wurde. Im Dreieck wird die dem Juni zugeordnete Qualität der Aktivität mit der Yang-Kraft bezeichnet, die ebenfalls zu jedem Menschen gehört (4. Kapitel). Es handelt sich um die Ausbildung der spontanen Eigenkräfte, die nicht mit den impulsiven Kräften des Aktivpols zu verwechseln sind, wo lediglich die Emotionen impulsiv und der kindlichen Konditionierung gemäß ausagiert werden. Die Eigenkräfte beruhen auf den Einstellungswerten. Sie sollten die Humanität eines Individuums und damit einer Gesellschaft widerspiegeln. Auch hier könnte man sagen, diese große Phase, seine Haltung auch wirklich (zunächst an sich selbst) zu verwirklichen, liegt im Alter zwischen 21 und 28 Jahren. Tatsächlich ist aber auch hier eher ein Pendeln zwischen der Yin- und der Yang-Kraft zu beobachten, ein immer wieder neu stattfindender Abgleich zwischen der Haltung und dem Verhalten über alle Dreiecke hinweg. Dieses Pendeln findet solange statt, bis der Entwicklungsschritt geschafft ist und das Verhalten relativ automatisch der Haltung entspricht und man nicht mehr in konditioniert dualistische Denk- und Verhaltensweisen regrediert, wie es geschieht, während man sich noch im Prozess der Emanzipation von den Kindheitsmustern befindet.

7. Gesellschaft + 8. Fülle

Einen ersten sicheren Standort erfährt das sich auf der Lebensreise befindliche Individuum mit der Verlebendigung der Lebensqualitäten Gesellschaft (Juli) und Fülle (August). In den Dreiecken werden sie den jeweiligen Dreiecksflächen zugeordnet, die die Ressourcen des Menschen darstellen (5. Kapitel). Sieben wertvolle (auf Werten basierende) Ressourcen bilden sich aus der Verbindung von Yin (Werte) und Yang (Eigenkräfte) und dem inneren Kind. Das innere Kind ist im Modell das Symbol für die implizite und explizite Erinnerung, das individuelle und kollektive Gedächtnis. Bei den Ressourcen handelt es sich aus übergeordneter Sicht um die Vernunft, in der die großen unbewussten Themen ins Bewusstsein integriert wurden, man sich mit sich selbst identisch fühlt und das Grundbedürfnis nach Konsistenz erfüllt ist. Im Grundbedürfnis nach Konsistenz sind die Grundbedürfnisse nach Verbindung und Beziehung (Dreieck 4), nach Selbstwertsicherheit (Dreieck 3), nach Lebendigkeit (Dreieck 2) und nach Kontrolle (Dreieck 1) enthalten. Statt aus dem Ego, das von Anderen die Bedürfnisbefriedigung zu erlangen versucht, begegnet man seinen Mitmenschen (Gesellschaft) nun aus dem Altruismus und aus seiner Integrität heraus (Fülle). Im aristotelischen Spannungsbogen befinden wir uns im 5. Akt, der Lösung zum Ursprungsproblem, bei dem es um unerfüllte Bedürfnisse ging. Der dazu notwendige Prozess der Integration könnte in einem Alter zwischen 28 und 35 Jahren stattfinden, und zwar ganz natürlich während all der zu treffenden Lebensentscheidungen, über die man sich selbst nach seinen Werten befragt, sein Verhalten überprüft, sein Warum und sein Wozu hinterfragt, Automatismen bewusst durchbricht und sich gut begründet für ein anderes Verhalten entscheidet, als man es bisher kannte. Der Beobachtung nach beginnen die meisten Individuen, die sich dieser Introspektion bewusst widmen wollen, allerdings erst ab einem Alter von 40 Jahren, sich ihrer Persönlichkeitsentwicklung aktiv und intendiert zuzuwenden – dann nämlich, wenn sie gesunde Beziehungen (Gesellschaft) und Fülle in ihrem Leben schmerzlich vermissen.

9. Intuition + 10. Ernte

Der Anstoß zu dieser Entwicklungsarbeit an sich selbst fällt dann zusammen mit dem Spätsommer des Lebens (im Jahresverlauf die Monate September und Oktober) und der Verwirklichung der Lebensqualitäten Intuition und Ernte (6. Kapitel). Das Zusammenfallen der Entwicklungsphasen leuchtet insofern ein, als der Anstoß, die innere Arbeit der Selbstevolution aufzunehmen, das Individuum über seine Intuition und per Inspiration erreicht. Der Qualität der Ernte entspricht die Aktivierung der spirituellen Fähigkeiten, wie sie vor allem hochsensible Menschen in der Form einer Medialität an sich selbst bemerken (z. B. als Fähigkeit des Hellsehens, Hellfühlens, Hellhörens oder Helldenkens, selten, aber auch vorkommend, die Fähigkeit des Hellriechens). In den sieben Dreiecken ordne ich beide Qualitäten, Intuition und Ernte, an den Dreiecksspitzen an, obwohl die Intuition mehr noch den Prozess der Einweihung in das höhere Selbst beschreibt und eher der Yin-Kraft zugeordnet werden könnte. Sie stellt aber letztlich die Verbindung zwischen Kosmos und Mensch oder zwischen kosmischem Bewusstseinsstrom und individueller Seele dar. Dieser Prozess findet auf bewusste und reife Art in der Regel im Alter zwischen 35 und 42 Jahren statt.

11. Dankbarkeit + 12. Weisheit

Ab einem Alter von 42 Jahren könnte der vollständig er*sie selbst gewordene Mensch nun die den Monaten November und Dezember zugeordneten Qualitäten Dankbarkeit und Weisheit ins Lebens einbringen. Bis zu einem Alter von 49 Jahren wird er*sie wohl seinen*ihren Platz dazu in der Welt gefunden haben. Von dort aus bereichert er*sie die Welt mit seinem*ihrem Selbstgewordensein und begleitet aus seiner*ihrer inhärenten Dankbarkeit heraus die Selbstwerdung anderer mit seiner*ihrer Weisheit (Kapitel 7). Im aristotelischen Spannungsbogen ist das die Rückkehr des*der Held*in, der die mit der Vernunft gefundene Lösung für das Ausgangsproblem mit nach Hause bringt. Die Rückkehr ist Teil eines erfüllten und gelungenen Lebens, das seinerseits mit dem Tod in den Frieden der Erde oder des Feuers und in die Stille des All-Eins-Seins zurückkehrt.

© Ariela Sager

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