6 – Kosmos – Medialität

Die mentale Entwicklung einer hochsensiblen Konstitution führt in die spirituelle Gabe der Medialität hinein. Medial begabt zu sein sagt noch nichts darüber, worin sich die Gabe manifestiert, aber das Bewusstsein für die Begabung markiert den Grad der Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit des Menschen mit dem Kosmos, also mit dem Bewusstseinsstrom, der sein individuelles Bewusstsein transzendiert.

Die Medialität zeigt die Fähigkeit an, etwas zu transzendieren, um eine höhere Sicht auf ein Geschehen einzunehmen. Der Prozess der Meditation ist geeignet, die Bereitschaft zur Kooperation zu signalisieren, führt aber noch nicht in die Medialität hinein. Man signalisiert mit dem inneren Stillwerden und dem Aufsuchen von Neutralität und Gleichmut, dass man zum Zuhören bereit ist. Das Stillwerden und die Neutralität sind notwendig, damit der Kosmos seinerseits zu unserem Bewusstseinsstrom durchdringen kann und der Bewusstseinsstrom (die Seele) auch unsere Psyche und unser Denken erreicht. Vom Menschen her gesehen beruhigt das Stillwerden das Denken und die Psyche, so dass die Psyche Zugang zu den unbewussten Inhalten des seelischen Bewusstseinsstroms erhält, der seinerseits Teil des kosmischen Bewusstseinsstroms ist.

Aber was erreicht uns da eigentlich potenziell, wenn wir uns für die Partnerschaft mit dem Kosmos entscheiden und unsere Medialität annehmen? Es ist die höhere Sicht auf das Leben. Wir blicken von oben auf das Geschehen und sehen darum mehr, als wir von einem Standort mitten im Getümmel aus sehen würden.

Auf etwas von oben drauf zu schauen lässt sich an einem Exemplar der Beziehungs- und Entwicklungsdreiecke nachempfinden. Aus dem Getümmel heraus sieht man nur das Verhalten einer Person und bewertet es als „gut“ oder „schlecht“, wobei man das Verhalten nur einem von zwei dualistischen Polen zuordnet: Kampf oder Flucht. Nimmt man stattdessen mental einen höheren Standpunkt im Dreieck ein, im Fall der Medialität den an der Dreiecksspitze, betrachtet man das Geschehen nun im Licht des Bewusstseins dafür, wer der andere Mensch in Wahrheit ist als eine Individuation des kosmischen Lichts, die wir alle sind. Aber wer ist dieser Mensch im Speziellen? Welchen kosmischen Aspekt verkörpert er*sie? Von hier aus erkennt man, welche Energie der Mitmensch mit seinem, wenn auch ungeschickten und unreifen Verhalten zu verwirklichen versucht hat. Man erkennt dessen Ressourcen, die zu adressieren man jetzt vielleicht sogar unterstützend tätig werden kann. Im wirklichen Zuhören könnte man sich dazu von seinem höheren Selbst mit Ideen inspiriert fühlen. Das werden Gesten oder Kommentare sein, die überraschend, zuweilen auch komisch und die Situation entspannend oder sie auf den Kopf stellend ausfallen. Kleine göttliche Frechheiten werden es sein, die eben darauf basieren, dass man emotional und mental über dem Durcheinander steht und eine illusionslose Sicht auf das Geschehen hat. Man braucht keine Schleier, die manche Aspekte ausblenden oder verdrängen, weil man die mit ihnen verbundenen negativen Gefühle nicht aushalten kann oder will. Man nimmt alles zur Kenntnis, das ungeschickte Verhalten, wie auch die eigenen Gefühle diesem Verhalten gegenüber (zum Beispiel könnte man sich aufgrund der Diskrepanz aus Erwachsensein und kindischem Verhalten durchaus genervt fühlen) und man sieht das Potenzial, auf das das Verhalten hinweist und das der Mensch in der Tiefe seines Herzens zu verwirklichen versucht. Es würde ihm*ihr gelingen, wenn er *sie einen besseren Weg wüsste.

Zugleich sieht man aber auch seinen eigenen Anteil am Geschehen wie auch die möglichen Alternativen der besseren Wege. Man sieht die eigenen Werte und Ressourcen und wer man selbst in Wahrheit ist und wird sich kosmisch geführt darauf besinnen, sich seiner Wahrheit gemäß verhalten zu wollen. Im Zustand, den die Medialität bietet, wird es einem auch gelingen. Von hier aus erhält man zuweilen auch eine Eingebung darüber, was das Verhalten der Dreiecksunterseite ausgelöst haben mag. Das heißt nicht, dass man persönlich Verantwortung für die erkannten Mangelgefühle und für die Bedürfnisbefriedigung des Anderen übernehmen muss. Aus der höheren Perspektive heraus könnte man den Anderen aber einladen, ebenfalls die höhere Sicht einzunehmen und sich über die Perspektiven auszutauschen, wenn er*sie es wünscht. Wird die Einladung angenommen, sind Horizonterweiterungen und Beziehungsvertiefungen ungeahnten Ausmaßes möglich. Besteht der*die Andere aber auf seinem*ihrem Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung, verstreicht die Chance ungenutzt.

Die Verantwortung der Medialität liegt nur darin, dem anderen Menschen zu signalisieren, dass man seine*ihre höhere Wahrheit zu sehen bereit ist, zu sehen, dass der andere wie man selbst eine Individuation des Lichts ist – und vielleicht sogar zu erkennen und zu spiegeln, in welchem Aspekt genau er*sie das ist. Der Kosmos hilft dann zu erkennen, inwiefern diese Annahme stimmt, was da genau vorliegt an Potenzialen, an Ressourcen und auch an Hemmnissen, welche Wege fruchtbar gemacht werden können und welche in Sackgassen führen. Der Kosmos hilft, wenn man nur die Bereitschaft signalisiert, sich helfen zu lassen, die Dinge aus einer höheren Perspektive zu sehen. Er liefert dann die benötigten Informationen auf dem Weg, den man als sein Medium gewählt hat. Der Kosmos liefert und der Mensch muss umsetzen: Erkenntnis und Weisheit. So funktioniert die Partnerschaft mit dem Kosmos. Besteht ein Mensch aber darauf, lieber seine Mitmenschen zu instrumentalisieren, hält der Kosmos sich raus. Dann sind die Kanäle nicht offen, selbst wenn eine hochsensible Konstitution vorliegt. Es gibt durchaus egoistische Hochsensible, die auch keine mediale Begabung aufweisen. Der Kosmos braucht die Ressource der Synchronizität – oder der vorübergehenden Trance, die ebenfalls das Ego ausschaltet – um aus der Transzendenz in die Immanenz hineinwirken zu können.

© Ariela Sager

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