1 – Einklang

Jeder Mensch ist eine Seele, die durch einen Körper manifest wird. Es gibt andere Narrative, die von anderen Vorstellungen über das Menschsein ausgehen, aber das Modell der Beziehungs- und Entwicklungsdreiecke legt das spirituelle Narrativ der körperlichen Beseeltheit, wie auch das der Menschwerdung über die seelische Entwicklung oder eigentlich über die seelische Entfaltung im Laufe der sich wiederereignenden Inkarnationen zugrunde. Diesem Narrativ nach ist man als Individuum aus einem bestimmten Grund zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort: Es gibt dort etwas zu erfahren, das man für seine Menschwerdung braucht. Wir nennen es auch „lernen“ und „Lektion“.

An dem Ort im Lebensverlauf, an dem das Lektionenlernen zu einer Ressource geworden ist, haben wir einiges an Erfahrungen im Hinblick auf die mit den Erfahrungen aktivierten Eigenkräfte ausgewertet. Wir mussten den Unsicherheiten des Lebens zeit unseres Lebens so begegnen, dass wir an ihnen unsere Fähigkeiten zunächst zu entdecken und zu erproben hatten, dass wir Wege auch als nicht in unserer Begabung liegend verworfen haben und andere Wege so oft gegangen sind, dass wir ein Talent üben und festigen konnten. Hier in der Ressource liegt nun eine Selbstsicherheit an Kompetenz vor, mit der das Leben zwar nicht weniger unsicher geworden ist, aber wir sind uns unserer Fähigkeit, der Unsicherheit produktiv zu begegnen, sicherer geworden. Und zwar aus Erfahrung. Wir haben aus der Erfahrung gelernt.

Die Yin-Kraft der Anerkennung befördert zunächst eine gezeigte Fähigkeit und ein vollbrachtes Können in die Ressource hinein, ganz so, als würde man sich einen Überlebenskoffer packen: Das kann ich gut. Das gelingt mir in der Regel. Dazu bin ich fähig. Das habe ich schon geschafft. Hier liegt noch Potenzial, von dem ich weiß. Das Material, aus dem die Yin-Kraft die Anerkennung ableiten konnte, wurde von der Yang-Kraft geliefert. Etwas wurde unternommen, versucht, erkundet, erlernt, sich angeeignet. Die daraus resultierende Selbsterfahrung (die Erfahrung der produktiven Eigenkräfte) wird von der Yin-Kraft anerkennend wahrgenommen. Wenn es jetzt zu einer herausfordernden Situation kommt, leistet wiederum die Yin-Kraft die Ermutigung, indem sie auf die Ressource der angesammelten selbstsicheren Kompetenz zugreift und an das erinnert, was dort bereits an gemeisterter Herausforderung, an entwickelter Fähigkeit, an integrierter Erfahrung und an Wissen vorliegt. Dergestalt aus seiner Ressource der Selbstsicherheit heraus ermutigt, wagt das Individuum nun, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, zu dem die neue Herausforderung einlädt, die das Leben ihm stellt. Nochmal zur Erinnerung: Die Selbstregulation ist das Wachstums-Werkzeug der Yang-Kraft zur selbstsicheren Kompetenz.

An dieser Verflochtenheit, bei der die Kräfte stets miteinander verwoben sind und sich eine Kraft ganz folgerichtig auf die andere beziehen muss und sonst nicht wirksam werden kann, zeigt sich das Prinzip des Einklangs aus Körper, Geist und Herz (Gefühl). (Darüber hinaus kann dieser Dreiklang auch noch in einen Einklang mit der Seele gebracht werden, was im nächsten Entwicklungsschritt, der Partnerschaft mit dem Kosmos, geschieht. Wir sprechen dann von dem Topos des Einklangs aus Körper, Geist und Seele. Hier wird das Gefühl als im Körper und im Geist integriert mitgedacht.) 

Wenn das Herz (das Gefühl oder das innere Kind) sich vor eine Herausforderung gestellt sieht, entwickelt es ein Gefühl und eine Sehnsucht, die der Bewertung der Herausforderung gilt. Ohne eine eigene Ressource an aktivierten Eigenkräften bestanden die Gefühle aus Angst und aus dem Verlangen, sich vor der Herausforderung zu drücken, sich selbst und sein Können zu verleugnen oder beides im Gegenpol an ihr zu beweisen. Unter dem erwachsenen Zugriff auf die Ressource der selbstsicheren Kompetenz, mit der man sich zum Beispiel vor einer Prüfung gut vorbereitet oder angesichts einer Profession gut ausgebildet und erfahren fühlt, kommt das Gefühl von Vorfreude und vielleicht auch von Lampenfieber auf, der Herausforderung produktiv entgegentreten zu dürfen, seine Eigenkräfte einsetzen zu können, sie zu erleben und zu erweitern. Die Eigenkräfte, die jetzt zum Einsatz kommen, sind die des Geistes – alles, was man sich zur Bewältigung einer Situation überlegt –, die des Körpers – alles, was man physisch unternimmt, um die Überlegungen umzusetzen –, und die des Herzens – die Freude daran, sich selbst erfahren zu dürfen. Fehlt eine der drei Komponenten, ist der Einklang gestört und die Unternehmung misslingt. Wenn das Herz und damit die Begeisterung fehlt (inneres Kind), fehlt es an Antriebskraft. Wenn der Geist blockiert ist (Yin), fehlt die Inspiration zur Problemlösung. Und wenn der Körper nicht in die Bewegung kommt (Yang), scheitert die Umsetzung und es werden keine Kompetenzen verwendet, gefestigt oder gebildet.

Für jede Ressourcenbildung müssen Körper (Yang), Geist (Yin) und Herz (Gefühl/inneres Kind) miteinander in Einklang kommen. An der Ressource des ersten Beziehungs- und Entwicklungsdreiecks zeigt sich gut, inwiefern dieser Einklang notwendig ist, damit der Mensch und das Leben gelingen. Es gehören zusammen die Haltung der Selbstermutigung (Yin), der Akt des Lernens und des Übens (Yang) und die Freude am Lernen und Wachsen (inneres Kind). Das Wahre (Yin), das Gute (Yang) und das Schöne (inneres Kind). Falls man sich die Freude am Lernen und Wachsen über die eigene Schulzeit hinweg verdorben hat oder sie nach dem Ende der Schulzeit schlicht vergessen hat, wäre hier eine Lücke, die sich aus der Ressource der früheren Lernerfolge schließen lassen könnte, falls nicht eher noch die Yin-Kraft mit frischer Ermutigung auftreten muss.

Das innere Kind jedenfalls fühlt sich in der Ressource der Selbstsicherheit gebaut aus Lernenkönnen, Lernenwollen und Gelerntem pudelwohl und sicher aufgehoben.

© Ariela Sager

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